schriftliche Antwort zur Anfrage - VII-F-09915-AW-01

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Beratungsfolge

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1. Wie ist die Informationslage der Stadt zur Häufung von Gewalt durch junge Menschen sowohl im schulischen als auch außerschulischen Bereich? Gibt es die beschriebene Häufung aus Sicht der Verwaltung in den Stadtbezirken Alt- und Südwest und West?

Der Stadt Leipzig wurde die Häufung von Vorkommnissen an Schulen bekanntgemacht. Gemeinsam mit dem Landesamt für Schule und Bildung sowie der Polizeidirektion Leipzig erfolgt der Austausch mit einzelnen Schulen, Trägern und anderen relevanten Akteuren, im Rahmen von Arbeitsgruppensitzungen sowie Einzelgesprächen.

Aktuell wird auf Grundlage der polizeilich erfassten Delikte sowie unter Berücksichtigung sonstiger besonderer Vorkommnisse ein umfassendes Bild der Beschwerdelage erarbeitet. Die benannten Vorfälle variieren jedoch stark im Hinblick auf Qualität und zeitlichem Auftreten.

Gesamtstädtisch hat sich der Anteil der strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen im Alter zwischen 14 und unter 21 Jahren von 2022 auf 2023 um 1,4 Prozentpunkte erhöht. Nach Stadtbezirken aufgeschlüsselt, stellt sich die Situation wie folgt dar:

Stadtbezirk

2022

2023

Differenz 2022 zu 2023

Altwest

6,9

8,1

+1,2

Mitte

3,5

4,9

+1,4

Nord

4,7

5,4

+0,8

Nordost

6,6

8,0

+1,4

Nordwest

7,0

8,0

+1,0

Ost

8,4

9,4

+1,0

Süd

6,3

8,6

+2,3

Südost

4,5

6,2

+1,7

Südwest

5,2

6,1

+0,9

West

9,6

12,3

+2,7

gesamtstädtisch

6,4

7,8

+1,4

Tabelle: Prozentualer Anteil strafrechtlich in Erscheinung getretener Personen (14 bis unter 21Jährige)

Die nachgefragten Stadtbezirke Altwest (+1,2 %) und Südwest (+0,9 %) liegen demnach unter dem gesamtstädtischen Anstieg von 1,4%, während der Stadtbezirk West mit einem Anstieg von +2,7 % zum Vorjahr darüber liegt.

 

2. Welche Daten zur Kinder- und Jugendkriminalität in Leipzig liegen der Stadtverwaltung für die Jahre 2022/23 vor und wie stellen sich die Entwicklungen aus Sicht der Stadtverwaltung dar?

In den Führungsstabssitzungen des Kommunalen Präventionsrates (KPR) im Jahr 2023 wurde gemeinsam mit der Polizeidirektion Leipzig die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2022 für das Stadtgebiet mit speziellem Fokus auf ermittelte Tatverdächtige unter 18 Jahren analysiert.

Bei der Interpretation der PKS muss dringend berücksichtigt werden, dass das Anzeigeverhalten gegenüber Kindern und Jugendlichen differenziert zu bewerten ist, sodass es deliktspezifisch zu Verzerrungen kommen kann. Darüber hinaus ist bei der Interpretation der Fallzahlentwicklung eine Gesetzesverschärfung im Juli 2021 zu berücksichtigen, wonach die Verbreitung von Kindesmissbrauchsdarstellungen als strafrechtliches Verbrechen gilt (§  184b StGB). Ermittlungsdruck, Legalitätsprinzip, Unsicherheit bzw. Unwissenheit und leichtfertig in Chatgruppen geteilte Medien haben in diesem Bereich zu einer starken Zunahme der Fallzahlen geführt. 

Nach einem stetigen Rückgang der jungen Menschen, die einer Straftat beschuldigt wurden, von 3.364 im Jahr 2005 auf 1.844 im Jahr 2017, stieg die Anzahl in den Folgejahren auf einen konstanten Wert von ca. 2.500. Im Jahr 2023 sind 3.213 Jugendliche und Heranwachsende erstmals oder erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Das waren 645 mehr als noch im Vorjahr. Im Jahr 2023 ist die Anzahl der mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen im Vergleich zum Vorjahr um 8,1 % gestiegen (+ 74). Stärker noch ist die Anzahl der einmalig strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen im Vergleich zum Vorjahr um 34,6 % gestiegen (+ 571). Der Anteil von jugendlichen und heranwachsenden einer Straftat beschuldigten Personen im Verhältnis zu allen strafmündigen Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen 14 bis unter 21 Jahren liegt seit dem Jahr 2017 zwischen fünf und sieben Prozent. Im Jahr 2023 ist der Anteil auf 7,8 % gestiegen. Hier spiegelt sich ein bundesweiter Trend wider. Die Jugendkriminalität in Deutschland nimmt seit der Corona-Pandemie wieder zu.

(Quelle: Bundeskriminalamt [BKA], "Polizeiliche Kriminalstatistik 2022", abgerufen am 27.02.2024, von https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/
PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2022/PKSTabellen/Zeitreihen/zeitreihen_node.html)

Von den strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen waren im Jahr 2023 insgesamt 71,4 % männlich und 28,6 % weiblich.

 

3. Welche Maßnahmen in städtischer Verantwortung gibt es, um der steigenden Gewaltbereitschaft junger Menschen zu begegnen? Welche Maßnahmen werden in Reaktion auf die aktuellen Vorfälle im Leipziger Westen sowie Süd- und Altwest ergriffen?

Seit Jahresanfang gab es mehrere, behördenübergreifende Formate auf verschiedenen Ebenen. Dabei ging es unter anderem um den Informationsaustausch, die Identifikation von Bedarfen, Vernetzung bzw. Hinweise auf bestehende Ressourcen und Unterstützungsstrukturen, die Abstimmung von Maßnahmen sowie den interkommunalen Austausch.

Es wurde eigens eine Arbeitsgruppe Jugendkriminalität unter dem Dach des KPR gegründet, die sich aktiv oben beschriebenem Vorgehen widmet. Zusätzlich treibt die PiT-Steuerungsgruppe (Prävention im Team) die Vernetzung der verschiedenen, lokalen Präventionsakteure voran und unterstützt mittel- und langfristig die Gestaltung nachhaltiger und bedarfsorientierter Präventionsstrukturen an Schulen.

Im Planungsraum Grünau gibt es umfangreiche Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und der mobilen Jugendarbeit, die durch ihre Präsenz und Angebote grundsätzlich gewaltpräventiv wirken. Neben drei offenen Freizeittreffs im Schwerpunktraum Grünau-Mitte, wurde am Heizhaus im Jahr 2023 ein neuer offener Freizeittreff installiert, der auch die Situation auf der Skateanlage in den Blick nimmt. Darüber hinaus wurde im Grünauer Westen der langjährig etablierte Jugendtreff Arena durch den OFT „Wilde 11“ im Wohnkomplex 8 ergänzt. In Grünau sind weiterhin vielfältige Kinder- und Jugendkulturangebote angesiedelt, die Möglichkeiten der sinnvollen Freizeitbeschäftigung bieten und damit auch einen Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Um auf spezielle Gewaltproblematiken in Grünau zu reagieren, haben sich in Grünau spezielle Arbeitskreise etabliert, die bspw. am Heizhaus mit Unterstützung präventiver, aber auch intervenierender Maßnahmen durch Ordnungsamt und Polizei zur Beruhigung der Situation beitrugen. Als Reaktion auf u. a. zunehmende Gewalt- und Diebstahlsdelikte in Grünau wurde die „Koordinierungsgruppe Sozialraum Grünau“ wieder ins Leben gerufen, an der sich unterschiedliche Ämter zur aktuellen Situation verständigen und Maßnahmen beschließen. Als Reaktion auf die zunehmenden Gewalttätigkeiten in den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wurden im Jahr 2024 für alle Träger der Kinder- und Jugendförderung drei Deeskalationsworkshops durchgeführt.

Auch im Planungsraum Leipziger Westen, der die Stadtgebiete Alt- und Südwest umfasst, gibt es umfangreiche Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und ebenfalls ein Team der mobilen Jugendarbeit. Im Planungsraum gibt es insgesamt fünf Offene Freizeittreffs sowie vielfältige Kinder- und Jugendkulturangebote und Jugendmedienarbeit. Das in Altwest wirkende Familienzentrum unterbreitet zusätzlich vielfältige Sportevents und Hausaufgabenhilfe für Jugendliche.

Seit Ende 2022 wurde im Planungsraum Westen eine erhöhte Gewaltbereitschaft mit einhergehenden Situationen von Jugendlichen gemeldet, zunächst an der Helmholtzschule, dann 2023 in den Freizeittreffs und seit 2024 im Familienzentrum auf der Georg-Schwarz-Straße einschließlich des Vorfalls an der Nachbarschaftsschule. Seit Anfang des Jahres 2023 wurde die Problematik deshalb im regelmäßig tagenden Planungsraumarbeitskreis thematisiert. Aus den Diskussionen resultierten zwei kostenlose Fachtage zu „Deeskalation/Krisenintervention“, die für alle Träger im Planungsraum angeboten wurden. Inhalt waren praktische Möglichkeiten der Deeskalation und Krisenintervention bei aggressivem und gewalttätigem Verhalten. Für die Helmholtzschule konnten im Jahr 2023 zusätzliche Mittel des Kommunalverbandes Sachsen (KSV) generiert werden, welche zur Förderung und Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe im Freistaat Sachsen bestimmt waren. Das Geld stammte aus dem Aktionsprogramm „Mittel zur Stärkung der Jugendhilfearbeit in den Kommunen“ und wurde für Antiaggressionstrainings mit Schülerinnen und Schülern der Helmholtzschule genutzt, die vom Jugendhaus Leipzig e. V. umgesetzt wurden. Derzeit läuft die Planung für eine Ausweitung von Antiaggressionstrainings und Gewaltpräventionsmaßnahmen an Institutionen der formalen und non-formalen Bildung. Hierfür stehen im Jahr 2024 über die SAB (Sächsische Aufbaubank - Förderbank -) im Rahmen der Kommunalpauschalenverordnung finanzielle Mittel zur Verfügung. Der Jugendhilfeausschuss wird im April 2024 informiert werden, in welcher Höhe hier welchen Institutionen Mittel zur Verfügung gestellt werden können.

Als stadtweit tätige Maßnahme wirkt das im Familienzentrum der Caritas verortete Kinder- und Jugendschutzprojekt „Stinktier“ mit Sitz in Grünau. Dieses dient der Prävention in den Bereichen Gewalt und Lebenskompetenz für junge Menschen. Im Jahr 2024 wurde die Maßnahme personell aufgestockt.

Darüber hinaus verwaltet das Referat für Demokratie die Partnerschaft für Demokratie „Leipzig. Ort der Vielfalt“ federführend. Ein ausdrücklich formulierter Schwerpunktbereich der Förderung ist Gewaltprävention an Leipziger Schulen. 2024 wird u. a. eine Maßnahme an einer Schule im Stadtbezirk Altwest mit 20.000 Euro gefördert.

 

4. Welche festen Austauschformate gibt es zwischen Dezernat 7 bzw. Amt für Jugend und Familie und Polizei zu Entwicklungen und (präventiven) Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendkriminalität und inwiefern werden diese Austausche aktuell verstärkt?

Am 31.08.2023 wurde die Kooperationsvereinbarung PiT – Prävention im Team von der Stadt Leipzig (Amt für Jugend und Familie, Amt für Schule, Gesundheitsamt, Kommunaler Präventionsrat/Ordnungsamt, Referat für Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt), dem Landesamt für Schule und Bildung und der Polizeidirektion Leipzig unterzeichnet. Seither tagt die PiT-Arbeitsgruppe turnusmäßig alle zwei Monate.

Zudem findet regelmäßig im Haus des Jugendrechts ein Austausch zwischen der Jugendhilfe im Strafverfahren und der Polizeidirektion Leipzig statt. Am 01.03.2024 konstituierte sich außerdem die AG Jugendkriminalität. Hier tagen ab sofort regelmäßig Vertretungen der Polizeidirektion Leipzig, des Ordnungsamtes, des Amtes für Jugend und Familie und des Landesamtes für Schule und Bildung unter der Leitung des KPR. In den Beratungen sollen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Behörden und Professionen unregelmäßig als Expertinnen und Experten geladen werden, um ein umfassendes Lagebild und Lösungsansätze mit starkem Praxisbezug zu erarbeiten.

Am 01.03.2024 fand ferner auf Einladung des Dezernats VII ein Gespräch u. a. zwischen der Beigeordneten, dem Polizeipräsidenten, dem Leiter des Landesamtes für Schule und Bildung sowie den Schulleitungen der 125. Oberschule und der Helmholtzschule statt.

 

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