VII-A-06815 Maßnahmen gegen Energiearmut in Leipzig: Übernahme von Betriebskostennachforderungen bei Hartz IV und Sozialhilfe aus Anlass der gestiegenen Energiepreise

Fraktion DIE LINKE

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, bis zum Ende des II. Quartals 2022 im Rahmen seines Weisungsrechts die geltenden Regelungen für die Übernahme der Kosten für Heizung und Warmwasser im SGB II sowie im SGB XII dahingehend zu ergänzen, dass Nachforderungen für Heizkosten und Warmwasser als konkret angemessen zu bewerten sind, wenn sie sich im Rahmen von Preissteigerungen seit Erlass der geltenden Richtwerte bewegen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass sie nicht auf einem Mehrverbrauch, sondern auf gestiegenen Preisen beruhen.

Die Prüfung, ob sich eine Nachforderung im Rahmen von Preissteigerungen bewegt, muss von Amts wegen ohne Antragserfordernis auf Übernahme der Kosten erfolgen, sofern der Erlass der geltenden Regelungen länger als einen Monat vom Ende des Abrechnungszeitraum zurückliegt. Dabei müssen die geltenden Richtwerte um die amtlich ermittelte Preissteigerung für den jeweiligen Energieträger erhöht werden. Die Preissteigerung seit Erlass der geltenden Richtwerte ist beim Statistischen Landesamt Sachsen, alternativ beim Statistischen Bundesamt, zu erfragen. Dabei ist die Steigerung für die Energieträger gesondert zu erfragen. Sofern die Summe aus Vorauszahlungen und Nachforderung unterhalb der erhöhten Richtwerte liegt, ist die Nachforderung zu übernehmen.

Dabei ist zusätzlich durch den Oberbürgermeister bis zum Ende des II. Quartals 2022 zu prüfen, ob 

a) ein einmaliger kommunaler Zuschuss als freiwillige Leistung nach SächsGemO für die erhöhten finanziellen Bedarfe bei Strom gezahlt wird (unbürokratischer Energiekostenzuschuss);

b) ein Sozialtarif bei den Stadtwerken Leipzig für Leipzig Pass-Inhaber*innen eingeführt oder bestehende Tarife dahingehend angepasst werden;

c) eine Überarbeitung der KdU-Richtlinie bzw. besser der Verwaltungsrichtlinie Ifo-02771-DS-01 vom 20. Juli 2021 erfolgen sollte (auf das Bezugsjahr 2020/2021);

d) ein dauerhafter Härtefallfonds in Höhe von 150.000 € für zu definierende Härtefallgruppen im Sozialamt eingerichtet werden kann, um Energienachzahlungen zu leisten (nicht erst bei Ankündigung Stromsperren oder Vergleichbares).

 

Begründung:

Für Heizöl und Kraftstoffe ist seit März 2021 ein deutlicher Preisanstieg zu verzeichnen, im November 2021 lagen die Kosten um 51,3 Prozent höher als im November 2020. Auch die Preise für Gas und andere Brennstoffe sind zuletzt deutlich gestiegen und lagen im November 2021 um 12,2 Prozent höher als im November 2020. MieterInnen müssen daher unabhängig von ihrem Verbrauch mit höheren Kosten für Heizenergie und mit entsprechenden Nachforderungen für Betriebskosten rechnen.

Besonders hart sind Menschen mit niedrigem Einkommen betroffen. Für Erwerbslose,  Aufstocker*innen und Ergänzer*innen müssen die Jobcenter in der Regel die Nachforderungen für Heizenergie und Warmwasser übernehmen. Denn Nachforderungen gehören zu den sogenannten Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH), die bei Hartz IV (offiziell: Grundsicherung für Arbeitsuchende) übernommen werden müssen, genau wie die Miete und reguläre Betriebskostenzahlungen. Dasselbe gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die von den Sozialämtern gezahlt wird.

Sowohl für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (geregelt im SGB II) als auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (geregelt im SGB XII) ist vorgesehen, dass die Angemessenheit von Heizkosten nicht nur allgemein festgelegt, sondern auch im Einzelfall geprüft wird (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II, §§ 35 Abs. 2 S. 1, 42 Abs. 1 SGB XII). Was als angemessen gilt, wird in kommunalen Richtwerten festgelegt. Dies geschieht in aller Regel in Euro, nicht in Energieeinheiten. Deshalb können Preissteigerungen, wie sie aktuell stattfinden, darin nicht abgebildet werden. Wenn die Kostenübernahme allein anhand dieser Richtwerte geprüft würde, würden viele Betroffene zu wenig Geld erhalten. Sie wären dann gezwungen, diese Preissteigerungen aus ihrem Regelsatz zu bestreiten, obwohl der Regelsatz nicht für Heizkosten vorgesehen und ohnehin schon kleingerechnet ist. Selbst dieses offizielle und viel zu knappe Existenzminimum wäre nicht gedeckt, wenn man daraus Heizkosten nachzahlen müsste.

Eine Corona-Sonderregelung löst das Problem für zahlreiche Betroffene: Wohnkosten werden sechs Monate lang in tatsächlicher Höhe übernommen (§ 67 Abs. 3 SGB II). Das gilt neben der Kaltmiete auch für Nebenkosten. Die Jobcenter sind also auch zur Übernahme von Nachforderungen in der tatsächlichen Höhe verpflichtet. Diese Sonderregelung gilt aber nicht für Personen, bei denen schon vor der Corona-Pandemie nicht die vollen Wohnkosten erstattet wurden. Im Jahr 2020 waren davon 17 Prozent aller Grundsicherungs-Haushalte betroffen. Außerdem ist nicht geklärt, was die Sonderregelung bedeutet, wenn Leistungen in einem Bescheid für länger als sechs Monate bewilligt werden.

Es müssen Vorgaben für die Einzelfallprüfung getroffen werden. Angesichts der aktuellen allgemeinen Preissteigerungen für Heizenergie und der zu erwartenden zahlreichen Nachforderungen ist ein einfaches, bürger- und verwaltungsfreundliches Verfahren notwendig. Die Stadt Leipzig sollte daher bindende, klare und umsetzbare Anweisungen an das Jobcenter und das Sozialamt erlassen und die Weisungen in geeigenter Form für die Bürger*innen veröffentlichen.“

Grundsätzlich begrüßen wir den Entwurf zum Heizkostenzuschussgesetz (HeizkZuschG) der Bundesregierung vom 2. Februar 2022. Mit dem lediglich einmaligen Heizkostenzuschuss für wohngeldbeziehende Haushalte, für nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte sowie für Beziehende von Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld sollen einkommensschwächere Haushalte und Personen unterstützt werden. Der Gesetzentwurf sieht für wohngeldbeziehende Haushalte gestaffelt nach Haushaltsgröße die Leistung eines einmaligen Heizkostenzuschusses an wohngeldbeziehende Haushalte vor. Jedoch werden Personengruppen nach dem SGB II und SGB XII nicht umfasst und auch die Einmaligkeit und zu geringe Höhe des Zuschusses sind kritikwürdig. Im Ergebnis bedarf es daher kommunaler Lösungen der Stadt Leipzig.

Unser Antrag richtet sich u. a. zusätzlich auf eine Verfahrensvereinfachung für Leistungsberechtigte zur Übernahme der Betriebskostennachzahlung (Heiz- und Warmwasserkosten) einerseits und andererseits auf einen Energiekostenzuschuss für gestiegene Stromkosten, die aus dem Regelsatz des SGB II/XII bestritten werden müssen. Diese Lücke möchte der Antrag schließen. Der einmalige Energiekostenzuschuss ist bei Sozialleistungen, deren Zahlung vom Einkommen abhängig ist, nicht als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. Punkte a, b und d).