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Deutschland Protestanten-Bischof

„Bibel sieht Homosexualität nicht als Gottes Willen“

Politikredakteur
Erstmals gibt es in der evangelischen Kirche wieder einen Landesbischof, der die Homo-Ehe im Pfarrhaus ablehnt: Carsten Rentzing aus Sachsen. Er sieht „das Herzstück des Glaubens“ in Gefahr.

Im deutschen Protestantismus war es eine Sensation, was am 31. Mai in Dresden geschah: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurde mit Carsten Rentzing ein evangelischer Landesbischof gewählt, der offen grundsätzliche Vorbehalte gegen gelebte Homosexualität äußert.

Dass sich Rentzings Wahl durch die Synode der Sächsischen Landeskirche über zwei Tage und sechs Wahlgänge hinzog und am Ende nur mit hauchdünner Mehrheit zustande kam, war ein Zeichen, wie sehr der Streit über die Homo-Ehe diese Landeskirche mit ihren knapp 750.000 Mitgliedern spaltet. Seit mehr als drei Jahren debattiert man hier über eine dienstrechtliche Neuregelung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): 2010 hatte die EKD-Synode beschlossen, dass es schwulen und lesbischen Pfarrern und Pfarrerinnen erlaubt sein soll, mit den jeweiligen Lebenspartnern im Pfarrhaus zusammenzuwohnen.

Fast alle der insgesamt 20 Landeskirchen haben diese Regelung übernommen. Aber die sächsische machte 2012 unter dem bisherigen Landesbischof Jochen Bohl eine gravierende Einschränkung: Die Homo-Ehe im Pfarrhaus soll grundsätzlich nicht möglich sein und kann nur in Ausnahmefällen nach ausdrücklichem Gemeindebeschluss geduldet werden.

Ich versuche den Begriff der Sünde in diesem Zusammenhang zu vermeiden, weil man damit schnell beim moralischen Verwerfen bestimmter Lebensweisen ist. Und genau darum geht es nicht!

Doch dieses „Nein, aber“ war vielen konservativen und evangelikalen Protestanten in Sachsen noch zu liberal. Im Januar 2012 gründete sich die Sächsische Bekenntnis-Initiative (SBI). Sie fordert – erfolglos – ein Nein ohne Ausnahmen. Die SBI wird von mehr als einem Drittel der sächsischen Gemeinden unterstützt.

Zuspruch erhielt die SBI auch von dem Lutheraner Carsten Rentzing, seit gut fünf Jahren Gemeindepfarrer im vogtländischen Markneukirchen. Zwar gehört der 47-Jährige der SBI nicht an, unterstützt aber die Grundsätze der Kritik an der Homo-Ehe im Pfarrhaus. Dass er nun neuer Landesbischof wird, empfinden liberale Protestanten besonders in Leipzig als Affront.

Bevor Rentzing am 29. August in der Dresdner Kreuzkirche als Nachfolger des aus Altersgründen ausscheidenden Bohl ins Bischofsamt eingeführt wird, besuchte Matthias Kamann den Vater von vier Kindern in Markneukirchen. Das schmucke 8000-Einwohner-Städtchen ist eine Hochburg des Musikinstrumentenbaus und hat eine für ostdeutsche Verhältnisse hohe Zahl von Kirchenmitgliedern: 3000 Menschen gehören der Gemeinde an, in der neben Rentzing auch seine Frau (mit einer halben Stelle) und ein weiterer Pfarrer Dienst tun.

Die Welt: Herr Rentzing, was haben Sie gegen homosexuelle Paare?

Carsten Rentzing: Gegen homosexuelle Paare habe ich überhaupt nichts. Mich beschäftigt, was wir als Kirche ihnen mit auf den Weg geben können. Können wir ihnen sagen, dass es aus dem christlichen Glauben keine Fragen an diese Lebensform gibt? Das können wir meines Erachtens nicht. Die Bibel sagt, dass die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspricht. Diese Aussagen der Bibel machen es mir persönlich schwer, jemandem zu raten, dass er seine Homosexualität leben solle. Dies anzusprechen, müssen wir Christen uns vorbehalten.

Die Welt: Ist Homosexualität „Sünde vor Gott“, wie es die SBI formuliert?

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Rentzing: Ich versuche, den Begriff der Sünde in diesem Zusammenhang zu vermeiden, weil man damit schnell beim moralischen Verwerfen bestimmter Lebensweisen ist. Und genau darum geht es nicht! Aber wenn wir homosexuelle Beziehungen in Pfarrhäusern uneingeschränkt zuließen – und dagegen richten sich die kritischen Stimmen –, würde die Kirche das Signal setzen, dass Homosexualität aus Gottes Sicht in Ordnung wäre.

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Die Welt: Sie ist vor Gott nicht in Ordnung?

Rentzing: Das sage ich nicht. Ich maße mir nicht an, Gottes Willen zu definieren. Ich muss aber umgekehrt sagen, dass man auf der Basis der Bibel nicht erklären kann, Homosexualität sei vor Gott in Ordnung. Die Kirche kann nicht Aussagen treffen, die vor dem Wort der Bibel keinen Bestand haben. Deshalb hielte ich es für falsch, durch die uneingeschränkte Zulassung homosexueller Partnerschaften im Pfarrhaus das Signal zu setzen, dass Gott der Herr die homosexuelle Lebensweise für die Bestimmung dieser Menschen hält.

Die Welt: Was sollen dann die homosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrer in Sachsen machen? Zölibat? Heterosexuelle Scheinehe? Wechsel in andere Landeskirchen?

Rentzing: Nichts von all dem. Wir haben diesen Menschen in unserer Landeskirche immer schon Anstellungsperspektiven geboten und lediglich die Bedingungen ihres Dienstes eingeschränkt.

Die Welt: Nämlich so, dass sie kaum Gemeindepfarrer werden können.

Rentzing: Wenn die Gemeinde dies ausdrücklich unterstützt, können sie Ortspfarrer werden.

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Die Welt: Aber gegen genau diese sächsische Regelung, dass es bei grundsätzlicher Ablehnung lokale Ausnahmen geben kann – genau hiergegen haben die SBI und Sie protestiert.

Rentzing: Als Bischof werde ich zu dieser Regelung stehen. Das gehört zu der Last, die ein Bischof tragen muss. Man steht dann für Dinge ein, bei denen man teilweise theologisch anderer Auffassung ist.

Die Welt: Und wie wollen Sie als Bischof mit homosexuellen Pfarrern umgehen?

Rentzing: Ich habe hohen Respekt vor denen, die für sich persönlich sagen, dass sie gelebte Homosexualität vor sich und Gott vertreten können. Natürlich werde ich das akzeptieren. Wir sind evangelische Kirche, wir schätzen die Gewissensfreiheit extrem hoch ein und können diese Frage niemandem abnehmen.

Die Welt: Wenn aber gewissenhafte Homosexuelle als Laien eine kirchliche Segnung ihrer Partnerschaft erbitten, wird ihnen die in Sachsen verweigert.

Rentzing: Nein. Sie kann im privaten seelsorgerlichen Bereich erfolgen. Nicht möglich ist die Segnung nur im öffentlichen Gottesdienst, weil dann wiederum jenes Billigungssignal gegeben würde. Es geht immer um die Balance zwischen den Pflichten der persönlichen Seelsorge und den Pflichten, die wir in der Verkündigung gegenüber Gottes Wort haben.

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Die Welt: Irritiert es Sie nicht, welche Mobilisierungskraft dieses Thema bei konservativen und evangelikalen Christen entwickelt? Fast scheint es, als gäbe es für die nichts Wichtigeres.

Rentzing: Auch mich befremdet, dass es manchen so schwerfällt, vom Thema Homosexualität loszukommen. Wir sollten da schweigsamer werden. Positiv könnte man es allenfalls so formulieren: Durch dieses emotional ja sehr aufwühlende Thema wurden viele Christen überhaupt sensibilisiert für die Frage, wie wir es generell mit dem Wort Gottes halten.

Die Treue zum Wort Gottes ist dem in Berlin geborenen Rentzing, der erst als Student zum Glauben fand, sehr wichtig. Die Bibel den Menschen näherzubringen versuchte der zurückhaltend formulierende Hobby-Triathlet mit leicht asketischer Anmutung vor seiner Markneukirchener Zeit elf Jahre lang in einer Plattenbaugegend im erzgebirgischen Annaberg-Buchholz. Da lernte er, wie schwierig die Mission in einer schon fast traditionell säkularen Gegend ist. „Die Menschen haben die Kirche in Scharen verlassen, wir werden sie nur als Einzelne zurückgewinnen“, sagt Rentzing und fügt hinzu, dass es für die Verbreitung des Glaubens „alle Stimmen in der Kirche“ brauche. „Die politischen, die liberalen, die konservativen und evangelikalen.“

Mit dieser Vielstimmigkeit umzugehen ist er gewohnt. Rentzing ist Mitglied der EKD-Synode und war Vizepräsident in der Generalsynode des Zusammenschlusses der lutherischen Landeskirchen (VELKD). Aber bei aller Pluralität der protestantischen Meinungen ist ihm „wichtig, dass es uns allen um die Gnade Jesu Christi geht. Die Menschen erwarten, dass wir klar und deutlich über unseren Glauben sprechen und für ihn in der Öffentlichkeit eintreten.“

Doch hierbei sieht Rentzing Schwächen in seiner Kirche. Im April beteiligte er sich an der Formulierung des Aufrufs „Zeit zum Aufstehen“, in dem evangelikale und konservativ-lutherische Protestanten eine Neubesinnung der Kirche auf Gottes Wort fordern. Darin heißt es: „Wir stehen gemeinsam auf gegen Lehren, Ideologien und Kräfte in unseren Kirchen und in unserer Gesellschaft, die die Würde des Menschen infrage stellen, die Freiheit des Bekenntnisses einschränken und das Herzstück unseres Glaubens preisgeben.“

Die Welt: Wer in der Kirche gibt das Herzstück des Glaubens auf?

Rentzing: Wollen Sie jetzt Namen hören?

Die Welt: Namen sind konkreter als „Kräfte“.

Rentzing: Namen nenne ich nicht. Aber es gibt auch in der evangelischen Kirche die Gefahr, dass Jesus Christus als Bringer des Heils verdunkelt wird, indem die Erlösungsbedürftigkeit jedes Menschen infrage gestellt und behauptet wird, alle Menschen seien okay, wir bräuchten keine Gnade. So etwas hört man in Predigten immer wieder.

In der EKD sehe ich mich auch nicht als Außenseiter. Vielleicht als kleinen Störfaktor am Rande, der Dinge anspricht, die von einigen vielleicht als nicht so gravierende Probleme gesehen werden.

Die Welt: Und wann wird in der Kirche die Freiheit des Bekenntnisses eingeschränkt?

Rentzing: Wenn diejenigen, die auf diese Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen hinweisen, als reaktionär hingestellt werden. Oder wenn Bedenken gegenüber der Homosexualität als rückständig dargestellt werden. Wenn Sie heute sagen: Es ist nicht gut, wie wir leben – in wechselnden Partnerschaften, einander verletzend, unserer Verantwortung für den anderen nicht bewusst –, dann werden Sie in der Öffentlichkeit und leider auch in der Kirche rasch ausgegrenzt.

Die Welt: Wie sehen Sie Ihre künftige Rolle zwischen den anderen Bischöfen in der EKD? Die meisten haben in der Sexualethik andere Ansichten. Befürchten Sie Ausgrenzung?

Rentzing: Nein. In der EKD sehe ich mich auch nicht als Außenseiter. Vielleicht als kleinen Störfaktor am Rande, als jemanden, der Dinge anspricht, die von einigen anderen vielleicht als nicht so gravierende Probleme gesehen werden.

Die Welt: Und wie ist es innerhalb der Landeskirche, wo viele Ihre Positionen zu Homosexualität klar ablehnen?

Rentzing: Zunächst einmal teilen viele Menschen innerhalb meiner Landeskirche meine Position. Mir ist allerdings klar, dass es unterschiedliche Positionen gibt und auch Vorbehalte gegen mich. Das wäre übrigens bei jedem anderen Wahlausgang bei meinen Mitbewerbern auch nicht anders gewesen. Deshalb muss ich nun vermitteln. Seit drei Jahren diskutieren wir hier über die Sexualethik sehr gründlich, das werden wir weiterhin tun. Ich muss die Gesprächsfäden zusammenführen, ohne die Freiheit der Einzelnen einzuschränken.

Die Welt: Sachsen hat ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit. Was kann Kirche dagegen tun?

Rentzing: Sie muss sich klar davon abgrenzen und scharf dagegen protestieren. Ganz ohne Wirkung scheint das nicht zu bleiben. Jedenfalls hat die NPD in allen Regionen der Landeskirche scharfen Gegenwind der Kirchengemeinden zu spüren bekommen. Auch und gerade in den besonders fromm geprägten Gemeinden des Erzgebirges hat man Gemeindehäuser für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, Hilfsprojekte begonnen und öffentlich Stellung bezogen. Ich werde als Landesbischof alles dafür tun, dass sich unsere Landeskirche auch weiterhin klar gegen Ausländerfeindlichkeit stellt und offen für Flüchtlinge bleibt.

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Quelle: N24

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