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Schuldneratlas 2018 Hohe Mieten führen mehr Menschen in die Überschuldung

Jeder zehnte Erwachsende in Deutschland kann seine Rechnungen nicht mehr bezahlen - auch wegen steigender Mieten. In einigen Bundesländern ist die Zahl der Überschuldungsfälle besonders hoch.
Demo für sozialen Wohnungsbau

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Foto: Michael Kappeler/ dpa

Der vielerorts rasante Anstieg der Mieten und Immobilienpreise bringt immer mehr Menschen in Deutschland in finanzielle Not. "Wohnen ist in deutschen Großstädten in vielen Fällen zum Armutsrisiko, in jedem Fall zum Überschuldungsrisiko geworden", schreibt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem "Schuldneratlas 2018 ".

Gut jeder zehnte Erwachsende in Deutschland kann demnach trotz der guten Konjunktur und der niedrigen Arbeitslosigkeit derzeit seine Rechnungen dauerhaft nicht mehr bezahlen. 2018 sei die Zahl der überschuldeten Menschen in der Bundesrepublik noch einmal um rund 19.000 auf mehr als 6,9 Millionen gestiegen. Schon in den Vorjahren waren die Zahlen gewachsen. Das Gesamtvolumen der Schulden bezifferte Creditreform auf rund 208 Milliarden Euro.

Ein Grund für den Anstieg sind dem Schuldneratlas zufolge die dramatisch steigenden Preise auf dem Wohnungsmarkt. Die Entwicklung von Einkommen und Wohnkosten habe sich gerade in strukturstarken Regionen wie den Großstädten entkoppelt: Während die Kaufkraft nur noch langsam zulege, hätten sich die Kosten für Mieten und Immobilien stark erhöht. Deutschlandweit muss laut einer Studie des Sozialverbands Deutschland (SoVD) rund die Hälfte der Mieterhaushalte fast ein Drittel ihres Nettoeinkommens für Kaltmiete und Nebenkosten aufwenden.

Bremen, Sachsen-Anhalt und Berlin mit höchster Überschuldung

Für immer mehr Haushalte bleibt deshalb nach der Miete nur noch relativ wenig Geld für die sonstigen Lebenshaltungskosten übrig. Schon kleine unerwartete Ausgaben könnten dann in den Schuldenstress führen, sagte Creditreform-Geschäftsführer Ralf Zirbes. Auch wenn die Miete selbst meist noch bezahlt werde, fehle danach in vielen Fällen das Geld, um andere Verpflichtungen zu erfüllen.

Überdurchschnittlich stark gestiegen ist nach Angaben der Experten 2018 erneut die Überschuldung älterer Menschen. Die Zahl der betroffenen Senioren im Alter von 70 Jahren und mehr legte um 35 Prozent auf 263.000 zu. Auch unter den 60- bis 69-Jährigen wuchs die Zahl derjenigen deutlich, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Der Leiter der Wirtschaftsforschung der Auskunftei, Michael Bretz, sagte: Die Zunahme der Erwerbstätigkeit im Rentenalter sei ein Indiz dafür, dass die Rente oft nicht mehr ausreiche.

Auch Frauen haben immer häufiger mit Schulden zu kämpfen. "Der aktuelle Anstieg der Überschuldungsfälle ist ausschließlich auf die Neuüberschuldung von Frauen zurückzuführen", heißt es im Schuldneratlas. Bei Frauen habe es in diesem Jahr rund 21.000 zusätzliche Überschuldungsfälle gegeben. Bei den Männern fielen die Zahlen dagegen um knapp 2000 - wobei insgesamt weiter deutlich mehr Männer als Frauen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Sorgenkind Ruhrgebiet

Einen Lichtblick sehen die Experten vor allem bei jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. In dieser Gruppe ging die Überschuldung spürbar zurück.

Die regionalen Unterschiede sind nach wie vor gewaltig. Die höchste Überschuldungsquote unter den Bundesländern verzeichnet mit knapp 14 Prozent weiter Bremen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Berlin. In der Hansestadt kann fast jeder Siebte dauerhaft nicht mehr offene Rechnungen begleichen.

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Am geringsten war die Überschuldung weiter in Bayern (7,43 Prozent) und Baden-Württemberg (8,31 Prozent). Während die Verschuldungsquote im bayerischen Landkreis Eichstätt gerade einmal bei 3,85 Prozent lag, war sie in Bremerhaven mit gut 21 Prozent mehr als fünfmal so hoch. Das eigentliche Sorgenkind sei aber die Region um das Ruhrgebiet, schrieben die Experten. Die Überschuldungsquoten seien in vielen Städten der Region sowohl im Jahres- als auch im Langzeitvergleich zum Teil deutlich gestiegen.

apr/Erich Reimann, dpa

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