In der Debatte um höhere Verteidigungsausgaben der europäischen Länder hat der frühere Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Gregor Gysi, die Pläne von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen kritisiert. Auf die Frage, ob die CDU-Ministerin zu Recht die Ausgaben der Bundesregierung für das Militär erhöhen wolle, sagte Gysi ZEIT ONLINE: "Nein. Im Gegenteil. Deutschland muss der Motor für eine weltweite Abrüstung werden." Die jüngsten Kriege hätten vor allem zu "zerfallenden Staaten, Not und Elend" geführt. "Die Spirale der Gewalt muss gestoppt werden."

Auch dass die Bundesregierung weitere Rüstungsprojekte zusammen mit europäischen Verbündeten vorantreiben will, sieht der Chef der Europäischen Linken kritisch. "Die EU ist gegründet worden, um Kriege zwischen ihren Mitgliedstaaten wirksam zu verhindern", sagte Gysi. "Sie sollte kein Interventionsbündnis werden." Es wäre ein Verrat an dieser Gründungsidee, wenn man nun die EU zu einer weltweit Kriege führenden Militärmacht ausbaue. "In Deutschland müssen Schulen schließen, weil die Toiletten nicht mehr funktionieren, und die Regierung Merkel denkt über milliardenschwere Aufrüstung nach. Das ist doch aberwitzig." Schließlich werde Deutschland von keiner militärischen Macht bedroht, die eine solche Aufrüstung rechtfertigen könnte.

Die Debatte um Aufrüstung und ein größeres militärisches Engagement wurde vor allem durch die neue US-Regierung ausgelöst. Präsident Donald Trump hatte sowohl im Wahlkampf als auch seit seinem Amtsantritt immer wieder von den europäischen Verbündeten gefordert, die in der Nato beschlossene Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts umzusetzen. Sein Verteidigungsminister James Mattis hatte auf dem Nato-Gipfel in Brüssel gedroht, anderenfalls würden die USA ihr starkes Militärengagement für das Militärbündnis verringern. Daraufhin hatte Verteidigungsministerin von der Leyen ihre Pläne für mehr Rüstungsausgaben vorgestellt.

"Atombomben aus Deutschland abziehen"

Gysi begrüßte die Ankündigung der Amerikaner, ihre militärische Präsenz weltweit zu reduzieren. "Es wäre sogar wünschenswert, wenn die USA ihre Atombomben aus Deutschland abzögen", sagte er ZEIT ONLINE. Stattdessen sollten sie zusammen mit den Vereinten Nationen und unter Einbeziehung Russlands versuchen, Konflikte friedlich beizulegen und zu verhindern. "Der sogenannte Krieg gegen den Terror ist nicht zu gewinnen", sagte Gysi. "Diese Erfahrung müssten die USA und Russland wenigstens langsam verinnerlichen."

Der Linken-Politiker verwies auch auf die Stimmung in der Öffentlichkeit, die mehrheitlich gegen eine Aufrüstung und zusätzliche Einsätze der Bundeswehr sei. Die geplante Aufrüstung werde da zum Wahlkampfthema. "Wir werden die Versuche vor allem der CDU/CSU, das Geld der Bürgerinnen und Bürger in mehr Waffen, Panzer, Militärflugzeuge zu stecken, klar und deutlich thematisieren", kündigte Gysi an. "Dazu gehört im Übrigen auch der Boom der deutschen Waffenexporte, die insbesondere Sigmar Gabriel zu verantworten hat."